Zurück zur Stechuhr?

von Thomas Sporbeck

Dreiundzwanzig Seiten umfasst die Begründung der viel beachteten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), nach der eine Verpflichtung von Arbeitsgebern zur Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit für Arbeitnehmer zu erfassen besteht (BAG 1 ABR 22/21).

Das Verfahren drehte sich um zwei Themen: einerseits, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung zustehe (dies verneint das Gericht) und andererseits eben, ob es eine Pflicht des Arbeitgebers zur Erfassung gebe (was das Gericht bejaht).

Knapp fünf Seiten lang prüft das Gericht verschiedene Rechtsgrundlagen, aus denen sich eine solche Verpflichtung ergeben könnte. Fündig wird man schließlich nicht, was vielleicht naheliegend wäre, im Arbeitszeitgesetz sondern in §3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Diese Vorschrift erlegt dem Arbeitgeber die Pflicht auf, für eine arbeitsschutzkonforme Organisation zu sorgen.

Dazu gehöre bei europarechts-konformer Auslegung auch die Verpflichtung, ein System zur Erfassung der Arbeitszeiten vorzuhalten, mit dem Beginn und Ende – also die Dauer der Arbeitszeit einschließlich möglicher Mehrarbeit – objektiv und verlässlich dokumentiert werden.

Das BAG stellt dabei keine Vorgabe auf, wie die Arbeitszeit zu erfassen sei. Sowohl die elektronische Form ist denkbar – auch durch Verwendung von Standard-Software wie Excel – als auch die Papierform beispielsweise mit klassischen Stempeluhren oder Rapport-zetteln. Auch schließt das BAG nicht aus, die Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmer zu delegieren.

Die Entscheidung lässt aber auch Fragen offen. Beispielsweise, ob auch die Arbeitszeit von leitenden Angestellten zu erfassen ist. Oder, ob auch Pausen zu erfassen sind – wovon man aber wohl aufgrund der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes auszu-gehen hat.

Für die Unternehmen stellt sich nun die Frage, ob man jetzt Hals über Kopf ein Zeiterfassungssystem einführen muss oder ob man sich die Zeit nehmen kann, das geeignetste System auszuwählen und vielleicht bei dieser Gelegenheit noch ein paar organisatorische Zusatzthemen wie Nachkalkulation, Abrech-nung von Außendienst-Einsätzen etc. zu erschlagen.

Ein Verstoß gegen §3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz ist nicht unmittelbar bußgeldbewehrt, so dass der Druck auf die Unternehmen etwas vermindert ist.

Für das laufende Jahr 2023 wird ein Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums erwartet, der sich mit dem Thema Arbeitszeiterfassung und hoffentlich auch weiteren Themen befassen wird. Man hört, hier werde auch das Kriterium der Manipulationssicherheit behandelt werden, was dann ad-hoc-Lösungen wie Excel-Tabellen ausschließen dürfte.

Es ist daher sicherlich nicht falsch, mit den Vorbereitungen für die Einführung eines Zeiterfassungssystems zu starten und dann auch gleich auf ein System zu setzen, das die Fragestellung umfänglich behandelt.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Rommerskirchen
und Geschäftsführer der
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